Von: Kurt Josef Wecker, Pfr.
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!
Der Mai bringt uns einen fast vergessenen Feiertag. Augenblicklich raten Wirtschafsexperten den Koalitionären in Berlin, einen Feiertag zu streichen. Muss nach dem Buß- und Bettag nun auch Christi Himmelfahrt dran glauben? Dieser Tag, 40 Tage nach dem österlichen Ur-Sonntag, hat es schwer im Kirchenjahr und ist doch so wichtig! Als Gott uns den Himmelfahrtstag schenkte, dachte er da schon an den ‚Brückentag’, diesen mancherorts tariflich vereinbarten Urlaubstag ‚danach’? Erhöhte er also Jesus nicht an einem Montag oder Dienstag, sondern an einem Donnerstag zu sich, sodass der Freitag nach dieser Auffahrt heute von vielen Schülern und Arbeitnehmern freigenommen werden kann?
„Über sieben Brücken musst du gehen“; so hieß es in einem melancholischen Schlager meiner Jugend. Und wir Christen singen am Karfreitag: bei der Kreuzverehrung: „Du bist die starke Brücke / darüber alle Frommen / wohl durch die Fluten kommen“ (GL 293,5). Die Brücke ist ein Symbol für diesen Tag des Übergangs Jesu. Christi Himmelfahrt ist ein sogenannter ‚Brückentag’. Das passt! Denn Jesus bricht nicht alle Brücken zu seiner Welt ab, er kehrt auch nicht in die feste Burg, die unser Gott ist, zurück. Er zieht auch nicht hinter sich die Zugbrücke hoch. Er hat mit seinem Heimgang nicht alle Verbindungen zu uns gekappt. Er erinnert gewissermaßen an die ‚längste Hängebrücke der Welt’. Einer der beiden Brückenköpfe ruht gewissermaßen im Himmel auf; und in seiner Menschwerdung bleibt Jesus der Erde treu. „Wahrer Gott und wahrer Mensch“, so definierte es die Kirche vor 1700 Jahren im Konzil von Nizäa. Christus, die Brückengestalt verbindet Räume, die nach menschlichem Ermessen nie zusammen finden: den Machtbereich des reinen Gottes und den undurchschaubar zweideutigen Lebensraum der Sünder. Der Erhöhte baut uns in seinem Leben und Sterben eine ‚goldene Brücke’ zum Vater. Brücken sind wie Treppen Verbindungen, sie überwinden Distanzen, sie sind Überwege, sie machen Wege begehbar. Weihnachten und Christi Himmelfahrt umspannen Ausgangs- und Zielpunkte des Christusweges. Weihnachten leuchtet uns das Geheimnis des göttlichen Brückenbauers (des wahren Pontifex maximus) auf, und das ‚Weltabenteuer’ des Sohnes beginnt. Der göttliche Vater schlägt eine Brücke zu uns; wie bei einem Handschlag kommt es zur Begegnung zwischen Höhe und Tiefe, zu einem unkündbaren Bund. Gott schafft in der Menschwerdung seines Sohnes, durch dieses Nadelöhr, einen Bau, der nicht einbricht und unvorstellbar schwere Schulden-Lasten tragen kann. In seinem Tod zahlt Jesus das ‚Lösegeld’, das ‚Überbrückungsgeld’. Nur der Vater konnte diese Verbindung aus seiner Höhe in unser Unten schlagen. Er ist es, der in der auseinanderdriftenden Welt ein fleischgewordenes Denkmal der Verbindung setzt. Europa hat sich zwar auf den Euro-Geldscheinen Brücken als Symbole gewählt, und etwa 14 Milliarden Brücken sind auf dieser Weise im Euroland und anderswo verbreitet. Viele von uns tragen also jetzt mindestens eine Brücke bei sich. Doch trotz Einheitswährung und dem Einheitssymbol von Brücken, die es so in der Realität nirgends gibt, wachsen die Nationalismen in Europa; Mauern und Sperrzäune werden erneut errichtet, Brücken wieder zu Orten der Kontrolle und der Trennung.
Die Brücke, die Himmel und Erde verbindet, ist der Leib Christi. Er ist unendlich belastungsfähig. Jesus ist in seinem Sterben am Kreuz und in seiner Erhöhung der ‚Dazwischentreter’, die Querung, die sichere und schnelle Verbindung. Im reißenden Fluss der Zeit schlägt er die Brücke in das verheißene Land. Jesus wählt zwar sehr viele Bildworte für sich – „Ich bin der Weg“, „Ich bin die Tür“ - aber er sagt nie: ich bin die Brücke oder die Treppe. Doch auch das wären treffende Bilder für seinen Dienst als des göttlichen Verbindungsmannes. Er ist es, der diese Welt zusammenhält, die eben nicht „ein Herz und eine Seele“ ist. Er hat die Macht - und nicht das Eurogeld. Und das Reich Gottes wartet nicht nur im Jenseits, als das rettende Ufer jenseits der Brücke, sondern es bricht im Hier und Jetzt an. Jesus lässt schon heute zusammenkommen, was zusammen gehört; er überspannt in seinem Geist auch unüberbrückbare Gegensätze, Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit. Er lässt mich hinüber kommen zum anderen, auch zu meinem Gegner und bewegt mich, über die Brücke den ersten kleinen Schritt auf die hin zu wagen, zu denen ich die Brücken abgebrochen habe. Am Kreuz bildet er mit der Spannweite seiner auseinandergerissenen Arme diese Brücke.
Auch wenn Jesus, der Salvator, nicht aufgeht in seiner ‚Brückenfunktion’ – er garantiert mit seinem verbindlichen Leben, dass wir in Verbindung bleiben mit unserer ewigen Heimat, dem rettenden Ufer, das wir ‚Himmel’ nennen. Er ist freilich keine Brücke, die man einfach hinter sich lässt, sobald man sie begangen hat. Christus hat nie seine Schuldigkeit getan; er ist gewissermaßen die ‚mitgehende Brücke’, der mitgehende Weg, der mitgehende Fels (vgl. 1 Kor 10,4), der mitgehende Wegweiser. Und Christi Himmelfahrt öffnet uns den Blick auf das andere Ufer, unser aller Ziel, unsere neue Heimat.
Ihnen und Euch einen schönen Monat Mai und einen geisterfüllten „Brückentag“.
Kurt Josef Wecker, Pfr.