Gottes Wahlkampf um meine Stimme geht weiter

Gedanken zur Fastenzeit und zum Fest der „Verkündigung des Herrn“ am 25. März

(c) CC0 1.0 - Public Domain (von unsplash.com)
Datum:
Sa. 1. März 2025
Von:
Kurt Josef Wecker, Pfr.
Liebe Mitchristen!
Die Bundestagswahl ist gelaufen. Eine Entscheidung stand an, auch eine Unter Scheidung. Es ging um die Macht, um zeitlich verliehene Macht. Und jetzt müssen die Gewählten schauen, was sie aus diesem Vertrauensvotum des Volkes machen.
Vieles im Leben steht nicht zur Wahl: Wo und wann und in welcher Familie ich geboren werde, was ich an Eigenschaften mitbringe, ob ich groß oder kleinwüchsig bin. So vieles in unserem Leben ist vorgegeben, steht nicht zur freien Wahl.
Anderes steht zur Wahl. Die Fasten und Passionszeit ist Gottes alljährlicher Wahlkampf um meine Stimme. Es ist eine Lebenswahl, ob wir Christen sind und bleiben wollen. Wir glauben, dass Gott Dich und mich wählt. Uns traf Gottes Gnadenwahl, seine Vorentscheidung.
An jedem Sonntag ist Wahlsonntag. Sehr entschieden treffen die, die sich auf den Weg machen in unsere Kirchen eine Wahlentscheidung, wie in einem Wahllokal. Wir treffen eine sehr intime, geheime Wahl, denn wie es in uns aussieht, geht niemanden etwas an. Gott allein weiß um mein Persongeheimnis, er respektiert mein Wahlgeheimnis. Die Freiheit der Christenmenschen, von der Luther spricht, zeigt sich hier: Wir haben die freie Wahl, in das Wahllokal eines Gotteshauses zu treten und Gott unsere Stimme zu schenken. Man kann sich anders entscheiden. Wir hätten auch andere Möglichkeiten in dieser Freizeitgesellschaft. Indem wir uns Gott stellen, stellen wir uns buchstäblich demonstrativ zur Wahl. Sie geben Ihr unüberhörbares Votum ab: Hier bin ich. Ich wähle dich und zugleich: Ich nehme, Gott, Deine Wahl an.
Wir feiern, dass zwei wählen, der erwählende Gott und jeder Einzelne von uns. Ich gebe ihm mein Stimme, mein Vertrauen. Es ist das 'aktive Wahlrecht' Gottes, dass er sich für uns ents cheidet, dass er nicht ohne uns wirken will. Nicht ohne uns! Es gibt uns als Kirche nur, weil  der Herr es nicht allein machen will, weil er auf Stimmensuche ist. Er betreibt keinen Stimmenfang und befürwortet Gewaltenteilung. Es ist das 'passive jedes Getauften, dass wir einstimmen, uns diese Wahl gefallen lassen. Ein solches Votum ist mehr als eine sogenannte
Jahrhundertwahl oder eine Richtungswahl. Wir fällen eine Lebenswahl.
Wähler und Wählerinnen sind, hochgerechnet, am Wahltag kaum drei Minuten im Wahllokal. Das Schöne an jedem Sonntag ist, dass wir spüren: hier trifft Gemeinde nicht kurzzeitig eine Wahl; sie tut es nicht unüberlegt, aus einer Laune heraus oder im Vorbeigehen. Wir schenken Gott eine Stunde Lebenszeit. Wir wollen als Christenmenschen mit einer getroffenen Wahl leben und treue Stammwähler bleiben, also ein Leben lang unser Kreuz beim Kreuz machen.
Christus führt unser ganzes Leben lang Wahlkampf um meine und Deine Stimme. Wir sehen den Sohn des allmächtigen Gottes auf Kandidatensuche auf den Straßen und Plätzen Galiläas; er war auf Kandidatensuche. Und er wählte Menschen zu Menschenfischern, die gar nicht gewählt werden wollten, die vielleicht gar nicht das mitbrachten, was er von ihnen erwartete, denen er doch Großes zutraute. Was für ein Satz, dieses: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt!“ (Joh. 15.16). Er trat an den Arbeitsplatz des Fischers am See von Tiberias, in die zwielichtige Wechselstube des Zöllners Matthäus, er stellte sich dem Saulus in den Weg - und erwählte vor allem die Frau, die uns als „schmerzhafte Mutter von Heimbach“ besonders naherückt. Er ‚braucht‘ Maria. Man stelle sich also vor: Der allmächtige Gott ist ein ewiger Wahlkämpfer. Alle sollen Stimmrecht haben im Reich Gottes, auch die, denen man hier die Stimme nimmt, das Gesicht raubt, die sonst nicht zu Wort kommen; auch die, die in der allmählich zerbröselnden Volkskirche keinen Ort mehr finden. Was für ein mühsames göttliches Klinkenputzen an der Tür meines Herzens! Geduldig wartet er – vierzig Tage und mehr - auf den Ausgang meiner freien und geheimen Wahl.
Verkündigung des Herrn: Am 25. März feiern wir das Fest der Menschwerdung Gottes. Dieses Wunder ereignet sich im Wahllokal von Nazareth. Es gehört zur selbstgewählten Schwäche Gottes, dass er nur bittend und darin wunderbar unaufdringlich und schonend auf Maria zukommt. Der Engel klopft bei ihr an: Der Himmel bittet um Deine Stimme! Gott bittet um Dein Ja-Wort! „Die Erde und der Himmel erwarten Dein Ja, o allerseligste Jungfrau Maria“, so predigte der hl. Bernhard von Clairvaux. Alle Welt, Maria, wartet auf Dein Votum! Die Welt wartet, dass dieses Mädchen beim Richtigen ankreuzt. Gott ist in Erwartung eines Wahlausgangs, eines ungezwungenen Ja-Wortes. Maria, lass Dich wählen, wage den Sprung und wähle den Dich auswählenden Gott.
In der Fastenzeit wird Gottes Klopfen bei mir laut: Er wirbt: Kreuzt an beim Gekreuzigten! Und damit wählen wir als Getaufte auch einen ganz bestimmten Lebensstil. In den kleinen Wahlentscheidungen des Alltags zeigt sich die große Lebenswahl: Wofür setze ich mich ein, meine ganze Leidenschaft, meine Zeit und Energie? Was ist mir wirklich wichtig und woran hängt mein Herz? Wie lebe ich, und kann man ablesen, wen ich gewählt habe? Welche Freunde wähle ich? Was suche ich in all meinem haupt- und ehrenamtlichen Tun? Such ich IHN? Und – man kann es nicht verschweigen:  Wenn wir wählen, wählen wir auch eine ganz bestimmte Kirche, mit ihrer auch zweideutigen Geschichte, mit ihren Runzeln und Rissen, ihrer Schuld und Unansehnlichkeit.
„Ich wähle alles!“, sagte die hl. Therese von Lisieux und ging aufs Ganze. Das ist keine religiöse Unersättlichkeit und Überspanntheit. Die junge Frau sagte wie Maria im ‚Wahllokal‘ von Nazareth: Ich wähle den, der mich wählt. Ich setze alles auf Seine Karte. Gott braucht meine und Deine Stimme. Gott bittet! Wir haben die Wahl! Nehmen wir seine Wahl an!
Diesen Mut zur Wahl nach dem Wahlmonat wünsche ich mir, Ihnen und Euch.
                                                                                                          Ihr Kurt Josef Wecker, Pfr.