Von:Kurt Josef Wecker, Pfr.
Bist du der heiß Ersehnte oder sollen wir auf einen ganz anderen warten? Gut gefragt! Nie war die Frage aktueller als heute! Worauf läuft mein Advent mit all seiner Betriebsamkeit hinaus? Kann es sein, dass ich mein Leben lang auf den Falschen warte?
Greenpeace-Aktivisten sagten in der Finanzkrise: „Wäre die Welt eine Bank, dann würde man sie retten…!“ Hat die verlorene Welt eine Lobby wie die Kreditinstitute? Wer rettet die Welt, die mehr wert ist als jede Währung? Wer hat Machtworte und geistliche Potenz, wirklich erlösende Antworten anzubieten und Rettungswege zu bahnen?
Advent ist Frage-Zeit. Antworten kann jeder geben - und vielleicht gebe ich als Prediger oft zu vorschnelle und zu endgültige Antworten; doch die richtigen Fragen formulieren und sie am rechten Ort zu stellen, das ist adventliche Lebenskunst! „Gott ist nicht in der Antwort. Wie der Diamant in seinem Glanz, ist Er in der funkelnden Frage.“ sagte der französische Schriftsteller Edmond Jabès.
Stellvertretend für uns stellt ausgerechnet der Täufer Johannes diese Frage in den Gottes-Raum. Wir hören seine bohrende Frage am 3. Advent, am ‚Sonntag der Freude‘, zu Gaudete: „Bist du ‚der Kommende‘? Oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3) Er fragt nicht neutral und akademisch spielerisch. Er fragt, weil es ums Ganze geht, im Gefängnis in der Nacht seines Glaubens. Er sucht und fragt und bohrt nach Jesus im Verließ des Herodes, aus dem er lebend nicht mehr herausfinden wird.
Er fragt als einer, den Jesus nicht besuchen wird, dem Jesus nur ‚Boten der Freude‘ sendet, die dem Eingekerkerten von der Freudenzeit draußen berichten. Doch diesem Gefangenen hilft das behauptete ‚Gaudete‘ nicht. Ein irdisches ‚Happy End‘ wird es für den Täufer Johannes nicht geben.
Immer ist Jesus auch für den Zeugen strittig. Habe ich mich getäuscht und auf den Falschen gesetzt? Jesus, bist du wirklich der, den wir ‚brauchen‘? Warum, Gott, bist du so leise und verborgen? Warum ist dein Advent so unmerklich, nur ein tiefes „Geheimnis des Glaubens“? Die oft brutale ‚Sprache der Tatsachen‘ spricht zu laut gegen seine rettende Nähe. Auch darum halten sich viele Zeitgenossen lieber an andere Messias-Gestalten, denen man Erlöserqualität zutraut: Stars, Politiker, Wissenschaftler, Ideen, Fortschritte, die ‚Segnungen‘ der Technik …
Doch kommen wir mit diesen Alternativen nicht weiter und müssen wir uns eingestehen: Wir brauchen umwerfend Neues, Auswege, nie geahnte Lösungen, Vergebung, Wunder, Licht; Retter, die uns das „Fenster zur Ewigkeit“ aufstoßen.
Manches Gerümpel sollten wir im Advent aus dem Weg räumen – aber diese johanneische Frage bitte nicht! Wir dürfen uns unsere Ratlosigkeit eingestehen – vor Ihm. Advent feiern und Weihnachten glauben, das ist nicht kinderleicht. Den Kern der Weihnacht zu glauben, das fiel auch dem Täufer Johannes schwer. Werde ich den seltsamen Advent des Nazareners annehmen? Indem wir singend und betend beisammen sind – in einer Kirche und nicht im Gefängnis -, bekennen wir leise stammelnd die Antwort: Du bist der Kommende! Ohne dich wäre alles nichts! Wenn nicht du, wer sonst!? Auf wen sollten wir sonst warten!? Du allein hast Worte ewigen Lebens. Du bist nahe, auch wenn wir dir fern sind. Du bist der Allernächste, gerade auch in unseren bohrenden Fragen. Werde ich diesen seltsamen Advent annehmen, die strittige Gegenwart Christi, eine leise Freudenantwort, die sich tief unter der schreienden Frage nach dem Retter verbirgt?
Einen nachdenklichen und trostreichen Advent wünscht Ihnen und Euch
Kurt Josef Wecker, Pfr.